24.11.10

Schön, dass Du bei uns bist!

Diesen Satz höre ich zur Zeit bestimmt 4-5 Mal am Tag und jedesmal freue ich mich wieder darüber. Wer ihn sagt? Meine demente Mutter. Das Leben kann schön sein, aber es kann auch grausam sein und so empfinde ich es im Moment für meine Mutter. Seit 4 1/2 Jahren bin ich nun wieder in meiner Heimatstadt und ich bin wiedergekommen, um meinen damals 86 jährigen Vater bei der Pflege meiner Mutter zu unterstützen. Seit ca. 8 Jahren bahnt sich die Krankheit meiner Mutter ihren Weg und ich habe mich nun entschlossen darüber zu schreiben, weil ich denke, dass viele Menschen sich nicht vorstellen können, wie es ist, dement zu sein oder zu werden und sie nicht wissen wie sie mit diesen Kranken umgehen sollen. Ich konnte es mir auch nicht vorstellen und kann es natürlich immer noch nicht ganz genau, weil ich diese Krankheit Gott sei Dank selbst nicht habe. Aber man weiß ja nie, ob es einen persönlich nicht auch einmal trifft und ich denke, dass ich am Geschehen inzwischen so nah dran bin, dass ich glaube, diese Krankheit ein bisschen besser zu kennen als der, der noch nie mit einem Demenzkranken zu tun gehabt hat.
Alzheimer oder Demenz was stellt man sich darunter vor? Es werden Witze gemacht über diese Krankheit, aber darüber konnte ich noch nie lachen. Otto Normalverbraucher glaubt, na ja die Leute werden erst ein bisschen tütelig, wie wir in Norddeutschland sagen. Sie bringen Dinge durcheinander, vergessen viel und sagen vieles immer wieder, so dass man oft sagt, das hast Du mir doch schon mal erzählt, weißt Du denn das nicht? Nein, sie wissen es nicht, denn sie haben es inzwischen vergessen und so geht es immer weiter. Wie gesagt, bei meiner Mutter fing es vor ca. 6 Jahren an. Eine Operation war gemacht worden und als sie nach der Narkose wieder aufwachte, war sie ein bisschen durcheinander. Wir schoben es auf die Operation bzw. die Narkose und hofften, dass sich das in Kürze schon wieder legen würde. Aber es legte sich nicht. Die Wiederholungen nahmen immer mehr zu , aber wir wollten es auch gar nicht so genau wissen. Es wurde anfangs totgeschwiegen, das heißt, man ging darüber hinweg und sprach nicht weiter drüber. Bis es dann doch zu auffällig wurde und wir setzten uns zusammen und beschlossen, dass wir endlich etwas dagegen unternehmen sollten, denn so konnte es nicht weitergehen. Ich hatte das Gefühl, mein Vater war froh, endlich mal darüber sprechen zu können, denn es muss für ihn auch schlimm gewesen sein, das Fortschreiten der Krankheit zu sehen und nichts dagegen tun zu können.
Ich bekam es damals ja gar nicht so genau mit, denn ich lebte 600 km weit weg von meinem Heimatort und wenn ich mit meinem Vater telefonierte, wurde darüber nicht gesprochen, weil er mich damit nicht belasten wollle. Erst als ich mal einige Wochen zuhause Urlaub machte, stellte ich die gravierenden Veränderungen auch fest.
Aber was konnte man tun? Der Arzt meinte, es handelt sich um eine normale Altersdemenz, da könne man nicht viel machen. Mein Vater und ich machten uns aber doch auf die Suche im Computer. Er, der mit 80 Jahren damit noch angefangen hatte, war inzwischen relativ fit im Umgang damit und was Medikamente und Krankheiten anging, so wusste er, wo man suchen musste.Und er wurde fündig. Es gibt inzwischen Medikamente, die die Krankheit zwar nicht heilen können, aber in vielen Fällen können sie das Fortschreiten verlangsamen. Nun begann der Kampf, einen Arzt zu finden, der dieses relativ teure Medikament auch verschreibt, denn viele Ärzte weigern sich, weil sie der Meinung sind, das Medikament würde doch nichts bringen. Aber schliesslich fanden wir einen Arzt, der uns das Medikament verschrieb und wir sind auch bis heute der Meinung, dass dieses Medikament das schnelle Fortschreiten der Krankheit erheblich aufgehalten hat.
Ich ging inzwischen in meinem damaligen Wohnort zu einem Seminar über Demenzkranke und ich muss sagen, dass es mir sehr viel weiterhalf. Plötzlich verstand ich warum Demenzkranke auf einmal ihre Wohnung nicht mehr als ihre Wohnung ansahen und warum sie sich nicht mehr darin zurecht fanden. Demenzkranke gehen Schritt für Schritt wieder geistig in die Jahre ihrer Jugend zurück und da ist es klar, dass die heutige Wohnung nicht ihre Wohnung ist.
Aber so weit war es ja noch nicht mit meiner Mutter. Gott sei Dank! Aber man bekam nun eine Ahnung, was auf einen zukommen könnte. Und mit diesem Wissen war es für mich klar. Ich musste so schnell es ging, aufhören zu arbeiten und in meine Heimat zurückgehen. Allein konnte mein Vater es nicht schaffen. Doch so leicht ist es heute nicht, den gesicherten Arbeitsplatz einfach aufzugeben und so blieb nur die Hoffnung, dass es für mich die Möglichkeit gab, einige Jahre früher in die Altersteilzeit zu gehen und somit früher als normal aus dem Berufsleben auszusteigen. Und auf einmal war ich froh, dass ich einen Behindertenstatus hatte. Nun brachte es mir doch den Vorteil, dass ich schon mit 60 Jahren ohne Abstriche in Rente gehen konnte. Und durch die Altersteilzeit gab es vielleicht auch die Möglichkeit schon einige Jahre vorher aufzuhören. Ich musste nun nur noch meinen Arbeitgeber von der Dringlichkeit meines Wunsches überzeugen und dann musste es gehen. Anstatt der gewünschten und üblichen 5 Jahre bewilligte er mir zwar nur 3 Jahre, aber da die Situation dringlich war, gab ich mich damit zufrieden. Eigentlich war ich dann doch glücklich über diese Möglichkeit, denn nun konnte ich kurzfristiger planen und ich konnte auch schon früher nach Bremerhaven zurückgehen.
2006 war es dann soweit und ich bezog eine Wohnung im Nachbarhaus meiner Eltern. Mein Bruder, der auch bis dahin schon eine große Hilfe für meinen Vater war, half nun auch mir, damit der ganze Umzug relativ schnell über die Bühne ging. Und nun ging es los. Ich merkte schnell, was mein Vater bis jetzt geleistet hatte, war unvorstellbar. Er, der selber nicht 100 %ig fit war, ging auf in der Betreuung und Pflege meiner Mutter. So liebevoll wie er sie betreute und dabei immer darauf bedacht war, dass sie ihre Würde behielt, das ist einfach bewundernswert. Früher hatten wir Hausangestellte. Meine Eltern waren selbstständig und er musste nie etwas im Haushalt machen. Aber schon kurz nachdem die beiden in Rente gingen, half er im Haushalt mit und übernahm mindestens die Hälfte der Arbeit. Ich war damals schon sehr überrascht, weil ich damit gewiss nicht gerechnet hatte.
Früher fuhren meine Eltern über 15 Jahre zum Überwintern nach Spanien und das hatte sie meiner Meinung nach jung gehalten. Sie waren tolerant und offen für alles Neue und ihre Freunde waren nicht selten viel jünger als sie. Aber nun konnten sie auf einmal nicht mehr in ihr geliebtes Feriendomizil fahren und gerade mein Vater litt darunter sehr. Meine Mutter litt darunter weniger, vergaß sie doch jetzt auch die schönen Zeiten, die sie dort verbracht hatten. Und wie gesagt, mein Vater tat nun alles, um meiner Mutter das Leben leichter zu machen. Er machte den ganzen Haushalt alleine und versorgte meine Mutter so, wie es nur ein liebender Ehemann machen kann.

Nachdem ich das Seminar besucht hatte und er sich auch auf dem Computer weiter über diese Krankheit schlau gemacht hatte, wussten wir nun, wie wir mit der Krankheit umzugehen hatten. Als erstes mussten wir lernen, dass man keine „Wer-, wie-, was-, warum-Fragen“ stellte, denn so brachte man den Kranken nur in Verlegenheit, wenn er die Fragen nicht beantworten konnte. Auch wenn es für meinen Vater nicht einfach war, so beschlossen wir, auch den Freunden und Bekannten von der Krankheit zu erzählen und sie zu bitten, diese Fragen nicht zu stellen. Denn eins war klar, wir wollten meine Mutter solange es nur ging, mit aus dem Haus nehmen und an Treffen mit Freunden und Verwandten weiterhin mit ihr zusammen teilnehmen. Da war es doch nur selbstverständlich, dass man die Leute aufklärte und eigentlich funktionierte es auch ganz gut. Eines nämlich können Demenzkranke ganz famos. Sie können ihre Krankheit verbergen wie die Weltmeister. Wenn sie Fragen gestellt bekommen, die sie nicht beantworten können, dann lenken sie ganz schnell ab vom Thema und reden über etwas anderes. Und so kommt es nicht selten vor, dass Fremde und sogar auch Freunde den Zustand der Krankheit zu Anfang gar nicht mitbekommen. Aber wir hatten nun die meisten davon unterrichtet und so gingen die Treffen ohne große Peinlichkeiten vonstatten. Und es ist wichtig für die Kranken, dass sie nicht heimlich versteckt werden. Sie können so noch lange am aktiven Leben teilnehmen und ich denke meiner Mutter und auch meinem Vater hat das sehr geholfen. Meine Mutter hat bis vor einem Jahr an diesen Treffen teilgenommen und Fahrten zum Kaffeetrinken ausserhalb haben wir noch bis vor einem halben Jahr unternommen.
Nachdem ich nun da war und die beiden ein bisschen unterstützen konnte, war es für mich auch schön, die Zeit mit ihnen zu verbringen. War ich doch 40 Jahre von zuhause weg gewesen, so ist es jetzt für mich wunderschön, die viele Zeit mit meinen Eltern zu verbringen. Wir hatten immer ein sehr gutes Verhältnis zueinander und ich glaube es gab kaum einen Tag, solange ich weg war, dass ich nicht mit ihnen telefoniert hatte, aber das ständige Zusammensein ist dann doch was anderes. Klar gab es jetzt auch immer mal wieder kleine Streitereien und Auseinandersetzungen, aber es wäre ja auch unnormal, gäbe es die nicht in einer Beziehung oder Familie. Aber wir rauften und raufen uns immer wieder auf’s Neue zusammen, denn nur gemeinsam sind wir stark.
Und ich merke nun auf einmal, wie wichtig mir die Nähe zu meinen Eltern ist. Es ist einfach schön, die Tage mit ihnen gemeinsam zu verbringen und es zeigt mir, wie sehr wir uns doch als Familie lieben. Und man sollte nicht dem Irrglauben verfallen, dass der oder die Demenzkranke nicht mehr merken was um sie herum los ist und wie es mit ihnen selbst steht. Ich mache immer wieder diese überraschende Feststellung, wenn meine Mutter dann auf einmal wie aus heiterem Himmel z.B. sagt: „ Ach Kind, ich glaube ich werde langsam verrückt. Bei mir im Kopf ist alles durcheinander und ich kriege gar keinen Dreh darein was da mit mir los ist.“ Sieh an, denke ich dann bei mir, sie bekommt also doch noch mit, was mit ihr los ist. Und so geht es oft. Mittendrin kommen dann manchmal wieder Sätze, woran man erkennt, dass sie sehr wohl an allem teilnimmt und auch ihre Umgebung viel mehr wahrnimmt, als wir oft denken. Und da denke ich, dass in diesem Bereich noch ein großer Bedarf an Aufklärung besteht. Es ist nicht nur die Vergesslichkeit, die diese Krankheit ausmacht. Auch Angstzustände und Panikattacken kommen immer wieder vor. Oft und besonders nachts treten diese Stimmungen auf und es kann dann schon sein, dass man als Bettnachbar die ganze Nacht kein Auge zubekommt, weil der Demenzkranke Angst hat und unruhig ist und nur durch intensive Beruhigung durch Worte und auch Streicheleinheiten langsam zur Ruhe kommt. Und in diesen Momenten kommt mir immer wieder der Gedanke. Was macht so ein Mensch, wenn er in dieser Stimmungslage im Heim untergebracht ist. Muss es nicht ganz schrecklich sein, wenn man Angst und auch Schmerzen hat, allein in einem Bett zu liegen und keiner da ist, der einen in den Arm nimmt und tröstet. Wenn man Glück hat, kommt mal eine Schwester vorbei und versucht einen zu beruhigen. Oder was ist, wenn sie nachts auf die Toilette müssen? Wir gehen 1-2 mal und manchmal auch öfter mit meiner Mutter zur Toilette nachts. Aber die Heime haben heute sowenig Personal, so dass sich um diese Dinge keiner kümmern kann. Da bekommen die Patienten Windeln und bleiben damit bis zum Morgen liegen, ob die nun voll sind oder nicht. Und wenn ich mir das vorstelle, dann bin ich froh, dass wir beschlossen haben, dass wir sie, solange es irgendwie geht zuhause pflegen.
Und obwohl man es kaum glaubt, es gibt auch viele schöne Momente während der Pflegezeit. Ich genieße die Nähe zu meiner Mutter und wenn ich ihr durch Streicheleinheiten die Angst nehmen kann, dann macht es mich auch glücklich. Und sie ist so dankbar. Für jeden Handgriff, den ich für sie tue, bedankt sie sich. Das ist sicher nicht immer üblich bei Demenz- oder Alzheimerkranken, denn ich höre auch oft von aggressiven Kranken, dass diese gewalttätig gegenüber ihren Angehörigen werden. Aber zum Glück ist das bei meiner Mutter nicht oder vielleicht auch noch nicht so. Ich denke, das hat auch ganz viel mit der Familiengeschichte zu tun. Meine Eltern waren immer zufrieden mit ihrem Leben und wenn man sie heute fragen würde, was sie denn anders machen würden, so ist ihre Antwort, dass sie ihr Leben genauso wieder leben würden, wenn sie es denn könnten. Und auch wir Kinder haben dieses Lebensgefühl von ihnen mitbekommen. Sie waren immer für uns da, wenn wir sie brauchten und wenn es Probleme gab, dann konnten wir mit ihnen darüber reden und sie haben immer geholfen, wenn es denn nötig war. Sie haben immer unser Rückgrat gestärkt und uns ein gutes Selbstbewusstsein mit auf den Lebensweg gegeben. Ich werde nie vergessen, als meine Mutter einmal zu mir sagte, dass niemand aber auch wirklich niemand das Recht hätte, mich anzuschreien, als ich einen Chef hatte, der seine Angestellten durch Geschrei klein machen wollte. Als sie das einmal am Telefon mitbekam sagte sie mir diesen Satz und gab mir den Rat, dem Chef auch genau dieses zu sagen. Ich bin dann auch bei der nächsten Schreierei zu ihm gegangen und habe ihm das gesagt und siehe da, nach diesem Gespräch war er zahm wie ein Lamm, zumindest mir gegenüber. Mir aber hatte das gezeigt, dass man sich nicht alles im Leben gefallen lassen muss und dass man vor Vorgesetzten keine Angst zu haben braucht. Es hat mich stark gemacht und das habe ich meinen Eltern zu verdanken.
Im Moment sieht es so aus, dass meine Mutter bereits die Pflegestufe 3 hat, d.h. sie kann überhaupt nicht mehr alleine sein, kann sich nicht mehr selbst versorgen und pflegen und ist im Gehen sehr eingeschränkt. Auch bringt sie die Zusammenhänge des täglichen Lebens nicht mehr auf die Reihe. Das sieht dann so aus, dass sie einen Satz anfängt, aber dann nicht weiß was sie sagen wollte und irgend etwas aus der Luft heraus erfindet, was aber in keinem Zusammenhang mit dem vorher Gesagten steht. Wir haben es uns zur Gewohnheit gemacht genauso zusammenhanglos darauf zu antworten, damit sie nicht merkt, dass sie Unsinn redet. Auch zu den Toilettengängen müssen wir sie begleiten, denn da sie sich nicht mehr in der Wohnung zurecht findet, würde sie dort alleine nie ankommen. Und sie wüsste dann auch nicht mehr, was sie dort wollte. Also gehen wir mit ihr gemeinsam dort hin, zeigen ihr die Toilette, auf die sie sich setzen soll und bleiben bei ihr bis sie ihr Geschäft verrichtet hat. Ich schreibe diese Sachen nicht auf, um hier intime Sachen von ihr preiszugeben, sondern damit man sich vorstellen kann, was auf einen zukommt, wenn man einen Demenzkranken pflegt. Das geht hin bis zum Reinigen unten herum, denn auch das können diese Menschen irgendwann nicht mehr alleine. Aber wenn man den zu pflegenden Menschen liebt, dann ist das kein Problem. Für mich und meine Familie ist es und war es nie eins. Und wenn man dann auf einmal den Satz hört: „ Ach Kind, nun weißt Du, was auf dich auch noch zukommt“, dann ist das wieder einmal so ein Moment wo man zwar lacht, aber doch im Stillen denkt, hoffentlich hilft mir dann auch ein lieber Mensch. Diese Gedanken kommen mir natürlich auch immer mehr, denn ich bin ledig und habe keinen Partner, der diese Pflege mal übernehmen könnte und auch keine Kinder. In solchen Momenten frage ich mich dann doch, ob ich etwas falsch gemacht habe in meinem Leben. Aber es gibt so viele Familien, in denen es nicht selbstverständlich ist, dass die Angehörigen den Kranken pflegen, sodass man damit eher nicht im voraus rechnen kann. Und man kann es sicher auch nicht von jedem verlangen. In wie vielen Familien geht man nicht gut miteinander um und wenn man keine Liebe von den Eltern erhalten hat, kann man nicht erwarten, Liebe zurückzuerhalten. Oder, wenn die Kinder, wie es heute üblich ist, weit entfernt von den Eltern wohnen und eine eigene Familie haben, dann ist es eben nicht so einfach ein Lösung zu finden, wie man die Pflege zuhause übernehmen könnte. Ich bin mir darüber durchaus im Klaren, dass bei mir die Umstände günstig waren, aber es gehört eben auch der Wille dazu, den Eltern etwas von der Liebe zurückzugeben, die man von ihnen erhalten hat. Und wir haben viel Liebe bekommen. Allein, wenn ich daran denke als ich mal im Krankenhaus war. Ich war im Krankenhaus, meine Eltern in Spanien. Meine Mutter war am nächsten Morgen nach der Diagnose bei mir am Krankenbett und hat mich getröstet. Sie war vorher noch nie allein geflogen, aber das war überhaupt keine Frage, zusammen konnten sie nicht sofort dort weg und so machte sie sich allein auf den Weg. Und auch mein Bruder und seine Frau waren sofort nach dem Krankenhaus-Aufenthalt bei mir und holten mich zurück nach Hause, damit ich dort weiter behandelt werden konnte. Und so war ich dann ein halbes Jahr wieder zuhause in meinem alten Mädchenzimmer und wurde von allen Familienmitgliedern auf das liebevollste betreut. Auch diese persönlichen Dinge schreibe ich hier nur, damit man vielleicht leichter nachvollziehen kann, warum ich so gerne meine Mutter pflege und sie, wenn es irgendwie geht, nie in ein Heim bringen würde. Ich weiß auch, dass man nie "Nie" sagen soll, denn man weiß nicht was noch alles passieren kann, aber wie gesagt, wir möchten sie gerne zuhause behalten und solange wir das gemeinsam schaffen können oder es mit Hilfe einer zusätzlichen häuslichen Pflegerin hinbekommen, solange bleibt sie bei uns.
Zur Zeit sieht es so aus, dass mein Vater im Krankenhaus ist. Er hat es mit dem Herzen und fühlte sich in letzter Zeit schlapp und matt. Wie lange er nun dort bleibt, ist noch nicht abzusehen. Ich bin daher zu meiner Mutter gezogen und verbringe nun 24 Stunden am Tag mit ihr. Mein Bruder unterstützt mich, soweit er kann und es geht eigentlich ganz gut. Ich muss mich nur erst einmal daran gewöhnen, dass ich nachts so wenig Schlaf bekomme. Aber auch das kriegen wir sicherlich in den Griff und wenn ich dann meine Mutter wie ein Kind streichle und im Arm halte, dann weiß ich warum ich das tue. 



©Brigitte Ehlers 2010