24.10.10

Die starken Werftarbeiter

erzählt von meinem Vater Harry Ehlers, geb. 1921 in Wesermünde:

Es muss ca. 1931/32 gewesen sein als wir auf einmal Lärm- und Hilferufe von der Hafenstrasse hörten. Meine Eltern liefen sofort auf die Strasse, um zu sehen was passiert war.
Ich als kleiner Junge hingegen, musste oben in der Wohnung bleiben. Sofort holte ich mir
einen Hocker, um das Geschehene vom Fenster aus zu beobachten. Was war das für ein Lärm und Geschrei dort unten, die Leute liefen hin und her und irgendwie begriff ich, dass dort ein Unfall mit der Straßenbahn passiert sein musste. Es war wohl so, dass jemand von der Straßenbahn überfahren worden war, aber man nicht helfen konnte, weil man an den gegenüberliegenden Bekleidungsgeschäft Verletzten nicht herankam. Der einzige, der sofort das Richtige tat war Herr von der Heide. Der rannte so schnell er konnte zur Unterweser-Werft, die ca. 600 m von der Kreuzung entfernt war, um dort Hilfe zu holen.
Und es kam Hilfe. Im Laufschritt kamen wohl ca. 50 Werftarbeiter zur Unfallstelle und hoben
mit gemeinsamer Kraft den Straßenbahnwagon so hoch, dass man das Unfallopfer bergen konnte. Da erst konnte ich sehen, dass es sich bei der Überfahrenen um ein kleines Mädchen handelte.
Meine Eltern, die zu der Zeit, die einzigen in der Umgebung waren, die ein Telefon hatten, hatten sofort bei der Polizei den Unfall gemeldet (einen Notruf gab es damals wohl noch nicht) und den Unfall gemeldet. Nach kurzer Zeit kam denn auch ein Krankenwagen d.h. es war ein Wagen mit 2 Pferden davor, der als Krankenwagen diente. Dieser brachte das kleine Mädchen ins Krankenhaus. Wie es dann weiterging, ob das Mädchen wieder gesund wurde oder nicht, das habe ich nie erfahren. Aber ich musste oft in meinem Leben daran denken, was man schaffen kann, wenn alle zusammen mit anpacken und nur ein Ziel verfolgen. Hier hatten die Werftarbeiter wahrscheinlich gemeinsam ein Leben gerettet.

© Brigitte Ehlers 2010

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